BIM Episode 11: Der Unterschied zwischen BIM Fähigkeiten und BIM Reifegraden

3
1169

BIM Episode 11: Der Unterschied zwischen BIM Fähigkeiten und BIM Reifegraden

Die Geschichte

Wir beginnen mit einer kurzen Geschichte über zwei AEC Unternehmen welche – vor einiger Zeit – entschieden haben, Building Information Modeling zu implementieren. Beide Organisationen waren von mittlerer Größe, agierten im selben Marktsegment und verfügten über denselben Mix von Disziplinen. Ebenfalls waren beide in der Lage, große „Design and Build“ Projekte mit einem Wert größer $200 Millionen innerhalb des Gesundheitssektors durchzuführen. An dieser Stelle enden die Gemeinsamkeiten dann auch:


Diese Episode ist ebenfalls in weiteren Sprachen verfügbar:

Für eine Übersicht aller verschiedenen Übersetzungen besuchen Sie bitte http://www.bimthinkspace.com/translations.html

Nachfolgend geht es mit der deutschen Version weiter:


Die gelbe Organisation entschied sich einen erheblichen Betrag an Energie und Geld zu investieren, um objekt-basierte Software (wie z.B. Revit®, Tekla® oder Vico®) zu erwerben. Die Entscheidung BIM auszuprobieren, wurde durch die Überzeugung des Managements durch eine technologieaffine und begeisterte Gruppe getroffen. Diese „Champions“ organisierten und führten schließlich die notwendigen Schulungen, welche durch deren BIM Softwarehändler empfohlen wurden, durch und ergänzten ihren Lernprozess unter Zuhilfenahme von unzähligen Online Foren. Nach einer Handvoll Monaten, einigen Rückschlägen und einigen erfolgreichen Pilotprojekten, fing diese Gruppe von Individuen an – jetzt durch einige Kollegen und Computernarren als die Superheroes betrachtet – das, was sie gelernt hatten, innerhalb der gesamten Organisation zu implementieren. Neue BIM Komponenten wurden on-the-job entwickelt und neuartige Standards/ Prozesse verdrängten langsam existierende CAD Praktiken. Das Management, durch die Kommerziellen Möglichkeiten der neuen Ergebnisse jetzt sehr begeistert, wies das Marketingteam an, auf der Unternehmenswebsite BIM Bilder und Labels zu integrieren, um potentielle Kunden über die neuen Fähigkeiten zu informieren.

Die blaue Organisation entschied sich einen erheblichen Betrag an Zeit und Energie zu investieren, um anschließend schrittweise eine ganzheitliche BIM Strategie, maßgeschneiderte Schulungspläne, Modellierungsrichtlinien und Prozessdiagramme/-protokolle zu implementieren. Interne und externe Hilfe zur Kommunikation, zu Schulungen und zur Ausbildung der Mitarbeiter [1] bezüglich BIM Technologien und Prozessen wurde angefragt. Das Management-Team, welches die Implementierung von Tag null an leitete, war sehr erfolgreich darin, alle Mitarbeiter hinsichtlich des Entwickelns von BIM Produkten und Prozessen zu begeistern und zu engagieren. Zur Sicherstellung einer hinreichenden stabilen BIM Produktivität führten sie kontinuierlich interne Assessments durch, um einheitlich hochwertige Modelle und Zeichnungen liefern zu können. Mit der Überzeugung, dass BIM der einzige effiziente Weg ist, um die Dienstleistungen des Unternehmens zu erbringen, erlaubten sie ihrem Marketingteam, BIM Bilder und Labels in die Unternehmenswebsite zu integrieren, um potentielle Kunden über die neuen Fähigkeiten zu informieren.

Ende der Kurzgeschichte…

Aus der Zuschauersicht (z. B. eines Kunden) scheinen beide Organisationen gleichwertig qualifiziert zu sein, um BIM liefern zu können. Sie sind jedoch nicht gleichwertig qualifiziert – sogar sehr weit davon entfernt. Diese beiden Organisationen veranschaulichen ein signifikantes Problem im Identifizieren des Unterschieds zwischen BIM Fähigkeiten – der Fähigkeit BIM Ergebnisse und Dienstleistungen zu erzeugen – und BIM Reifegraden – der Umfang, Tiefe, Qualität, Kalkulierbarkeit und Wiederholbarkeit dieser BIM Ergebnisse und Dienstleistungen.

Lassen Sie uns einen anderen Blick auf die beiden oben beschriebenen Organisationen mit zwei unterschiedlichen Optiken werfen:

# Gelbe Organisation Blaue Organisation
1 Nutzt objekt-basierte Software Werkzeuge Nutzt objekt-basierte Software Werkzeuge
2 Ist in der Lage, intern unter Verwendung von multidisziplinären objekt-basierten Modellen zu kollaborieren dto.
3 Ist in der Lage mindestens ein großes BIM Projekt größer $200 Millionen zu liefern dto.
4 Besitzt Expertise im Gesundheitssektor dto.
5
Schnelle Schlussfolgerung: Die gelbe und blaue Organisation haben sehr ähnliche BIM Fähigkeiten

Tabelle 1: Vergleichen der zwei Organisationen unter Anwendung der BIM Fähigkeiten Optik

# Gelbe Organisation Blaue Organisation
1 Von-unten-nach-oben BIM Ansatz Von-oben-nach-unten BIM Ansatz
2 Implementierung wird durch „Champions“ geführt Implementierung wird durch das Management geführt
3 Keinen Hinweis auf ganzheitliche BIM Strategie Ganzheitliche BIM Strategie ist der Implementierung vorausgegangen
4 Keinen Hinweis auf interne Kommunikation über BIM Implementierungsaufwände Hinweise auf interne Kommunikation als Teil des BIM Implementierungsaufwands
5 Standards werden erlernt, entwickelt und erweitert „on the go“ Standards und Prozesse/Abläufe werden vorbereitet im Hinblick auf die Gesamt-Implementierung
6 Hinweise auf Veränderungsresistenz (Zynismus) Hinweis auf weit verbreite Begeisterung
7 Kein Hinweis auf Fähigkeiten/Wissens-Assessment Hinweis auf Fähigkeiten/Wissens Assessment
8
Schnelle Schlussfolgerung: Die Blaue Organisation besitzt einen höheren BIM Reifegrad als die Gelbe Organisation (diese Schlussfolgerung wird in späteren Blog Posts detaillierter erklärt)

Tabelle 2: Vergleich der zwei Organisationen unter Anwendung der BIM Reifegrad Optik

Fähigkeiten sind somit recht unterschiedlich zu Reifegraden zu verstehen. Bevor wir in das Thema der BIM Reifegrade einsteigen, werde ich kurz die BIM Fähigkeiten erneut aufbereiten:

BIM Fähigkeiten, zur Erinnerung

Wie in Episode 8 dargestellt, werden drei „Fähigkeiten“ Stufen benötigt, um vom pre-BIM Status den Status des virtuell-integrierten Planen, Bauen und Betreibens (viDCO) zu erreichen. Diese Stufen repräsentieren revolutionäre Veränderungen (im Gegensatz zu evolutionären Veränderungen) und sind durch das Erreichen von Meilensteinen oder einer minimalen Kompetenz charakterisiert. Als Beispiel: es wird angenommen, dass eine Organisation BIM Fähigkeits-Stufe 1 durch die relativ einfache Einführung einer objekt-basierten Software erreicht hat. BIM Fähigkeits-Stufe 2 wird erreicht, wenn eine Organisation modell-basierte multidisziplinäre Kollaboration erfolgreich durchführt. Die BIM Fähigkeits-Stufe 3 wird final erreicht, wenn eine Organisation netzwerk-basierte, interdisziplinäre Integration der Modelle durchführt. Diese drei BIM Stufen sind zur Identifizierung der minimalen Fähigkeiten von Organisationen und Projektteams nützlich. Zur Analyse und zum Vergleich wie gut diese modellieren, kollaborieren oder die Ergebnisse integrieren, sind diese Stufen jedoch nicht besonders nützlich.

Organisationen welche über den oben beschriebenen Fortschritt der Fähigkeiten keine Kenntnisse besitzen, bezeichnen sich in der Regel als „BIM-fähig“ sobald sie einige Exemplare von ArchiCAD®, Tekla® oder Bentley Architecture® im Unternehmen vorhalten. Doch wie können Personen, Projektteams oder Organisationen die eigene BIM Performance oder die von potentiellen Partnern oder Konkurrenten bewerten? Wie können Kunden „pseudo BIM“ von der BIM Realität unterscheiden? Sie brauchen – wir alle brauchen – eine Art „Werkzeug“ welches eingesetzt werden kann, um zu definieren, zu messen und hoffentlich diese BIM Fähigkeiten [2] verbessern kann.

BIM Reifegrade

Das Konzept der Reifegrade ist nicht neu und existiert schon eine ganze Zeit lang in vielen anderen Industrien. Die wirkungsvollste Repräsentation dieses Konzepts stammt jedoch vom Software-Industrie-Fähigkeiten-Reifegrad-Modell (Capability Maturity Model, CMM) ab. CMM ist eigentlich ein „Prozess-Verbesserungs-Framework“ und ist ursprünglich dazu verwendet worden, die Fähigkeiten von Auftragnehmern der Regierung für Softwareprojekte zu bewerten. Es wurde in den späten 80igern entwickelt und erzielte für das US Department of Defence [3] einen umfangreichen Nutzen. Dessen Nachfolger, das umfassendere Fähigkeiten-Reifegrade-Modell-Integration (Capability Maturity Model Integration – CMMI) wird kontinuierlich durch das Software Engineering Institute der Carnegie Mellon Universität weiterentwickelt.

Fähigkeiten-Reifegrade-Modelle identifizieren ein Set standardisierter Prozess-Verbesserungs-Level (oder Reifegrad Level), welche den Verantwortlichen der Implementierung signifikante Geschäftsvorteile ermöglichen. Die Forschung in dem Bereich hat bereits den Zusammenhang zwischen Prozess-Reifegraden und der Unternehmensleistung [4] identifiziert. Die Anwendung der Reifegrad-Modelle führt zu einer erhöhten Produktivität sowie eines erhöhten Return On Investment (ROI) sowie reduzierter Kosten und Fehlerreduktionen [5] & [6].

Das „Original“ CMM ist für die Softwareindustrie spezifiziert und nicht im Bauwesen anwendbar, da es keine Probleme der Wertschöpfungskette adressiert. Ebenfalls treffen die Reifegrad-Level nicht zu den unterschiedlichen Phasen des Projekt-Lebenszyklus zu [7]. Dennoch sind einige – mit großen Aufwand verbundene – Reifegrad-Level, welche einen Fokus auf das Bauwesen enthalten, integriert. Jedoch ist kein umfassendes Modell vorhanden, welches auf BIM, die verschiedenen Stufen der Implementierung, die Akteure, die Ergebnisse oder die Auswirkungen auf die Projekt-Lebenszyklus-Phasen anwendbar ist.

In den kommenden Episoden werden die zurzeit verfügbaren und anwendbaren Reifegradmodelle (z.B. NBIMS) sowie ein neuer BIM Reifegrad Index, welcher ebenfalls sehr interessant ist, vorgestellt.

Fortsetzung folgt, die nächste Episode setzt sich mit der BIM Performancemessung auseinander.

Übersetzt von M.Sc. Stephan Liedtke (BIMSource.de) – Lektorat: Dr. Carsten Druhmann (ZHAW) – Veröffentlichungsdatum: 14.10.2016

Referenzen:

[1] “Education is about learning for oneself, and training is about learning for the sake of someone else” as beautifully summarised by Dr. Megan Squire after analysing this Monthly Review article. [2] The full quality axiom dictates that „what cannot be defined, cannot be measured; what cannot be measured cannot be improved, and what cannot be improved will eventually deteriorate” (Dr. Daniel Meade, bettermanagement.com) [3] Hutchinson, A., & Finnemore, M. (1999). Standardized process improvement for construction enterprises. Total Quality Management, 10, 576-583. [4] Lockamy III, A., & McCormack, K. (2004). The development of a supply chain management process maturity model using the concepts of business process orientation. Supply Chain Management: An International Journal, 9(4), 272-278. [5] Jaco, R. (2004). Developing an IS/ICT management capability maturity framework, Proceedings of the 2004 annual research conference of the South African institute of computer scientists and information technologists on IT research in developing countries. Stellenbosch, Western Cape, South Africa: South African Institute for Computer Scientists and Information Technologists. [6] Paulk, M. C., Weber, C. V., Garcia, S. M., Chrissis, M. B., & Bush, M. (1993). Key Practices of the Capability Maturity Model – Version 1.1 (Technical Report): Software Engineering Institute, Carnegie Mellon University. [7] Sarshar, M., Haigh, R., Finnemore, M., Aouad, G., Barrett, P., Baldry, D., et al. (2000). SPICE: a business process diagnostics tool for construction projects. Engineering Construction & Architectural Management, 7(3), 241-250.

3 KOMMENTARE

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT